Nichts los – ausgezeichnet!
„Da passiert doch gar nichts“, beschwerte sich 2019 mein Kinderreporter-Team über „Freibad“ von Will Gmehling. Da hätte ich ihnen ja ein schönes Buch eingebrockt, war der erste Leseindruck der Viertklässler*innen. Ganz falsch lagen sie nicht.
In „Freibad“, jüngst ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 in der Kategorie Kinderbuch, passiert äußerlich wenig. Drei Geschwister verbringen ihre Sommerferien Zuhause. Damit, dass sie täglich ins Freibad gehen. Was bitte, ist daran spannend?
Das Buch ist ein wunderbares Beispiel für den Wert des Lesens – und zeigt, warum Erwachsene mit Kindern über gute Bücher reden sollten.
Erstmal fällt nur auf, was das Buch nicht hat: Action, außergewöhnliche Schauplätze, Figuren mit besonderen Fähigkeiten. Alles sucht man vergebens. Es ist eine Alltagsgeschichte, die Will Gmehling erzählt. Deren Metaphern auf das Leben und das Erwachsenwerden findet man zwischen den Zeilen. Und genau darum geht’s.
Die Geschwister Alfred, genannt Alf, Katinka und Robert verbringen ihre Sommerferien im Freibad. Die Familie hat kein Geld für den Urlaub übrig, doch ein glücklicher Zufall verhilft den Kindern zur einer Schwimmbad-Freikarte. Sechs Wochen lang breiten sie nun täglich ihre Handtücher auf der Wiese aus, bei Regen flüchten sie unters Dach der Umkleidekabine. Alf trainiert vom Zehner zu springen, und lernt dabei die Tochter des Bademeisters kennen. Katinka lernt Französisch und Robert lernt endlich richtig schwimmen. Die Tage laufen fast gleich ab, trotzdem sind am Ende des Sommers alle ein großes Stück weitergekommen. Das Buch besticht durch die scheinbar einfache Erzählung: Freibad, Zuhause, Freibad. Die Erlebnisse der Kinder, was sie daraus machen und wie sie daran reifen, sind die eigentlichen Heldengeschichten des Buches. In einer Zeit, in der Action und rasantes Erzähltempo viel mehr den Lese- und Sehgewohnheiten von Kindern entsprechen, ist diese unaufgeregte Lektüre eine willkommene, entschleunigende Abwechslung. Die man gleichwohl mehrmals wird lesen müssen, um ihren Wert wirklich zu verstehen. Als Empfehlung vor allem an geübte junge Leser. Sich das Buch von Erwachsenen vorlesen zu lassen, ist auch kein Fehler.
Wie ging die Geschichte im Team der „Lesefüchse“ aus? Damit, dass allen aufging, „dass das Freibad auch heißt, dass man ins Buch abtauchen muss. “ Genau!
Will Gmehling: Freibad. Peter Hammer Verlag, 160 Seiten gebunden, 14 Euro. Die Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2020 fand online und am 16. Oktober in kleinem Rahmen im Berliner Grips-Theater statt. Die Trophäe (ganz oben) zeigt Momo mit der Stundenblume.