AusLESE 2021
Dieses Jahr ist die Leseliste etwas kürzer und wird durch 4 Titel aus dem vorigen Jahr ergänzt, die eine zweite Chance verdient haben. Die AusLESE2020 hatte infolge der Einschränkungen nicht stattfinden können.
Linda Dielemanns: Im Schatten des Löwen. Freies Geistesleben,
410 Seiten, Kl. 6.
Junhi ist eine Träumerin, die ihren Vater sucht und dabei zu sich selbst findet. Linda Dielemanns etwas anderer historischer Jugendroman geht für ein literarisches Coming-of-age weit zurück, 28.000 Jahre. Für Junhi offenbart sich eine Begabung, die sie – fasziniert und schockiert – anzunehmen vermag: Juni ist eine Träumerin. Ihre Visionen hält sie gezeichnet an den Höhlenwänden fest, heimlich, denn wer sie der Stammesführerin mitteilen und damit die Zukunft prophezeihen darf, ist streng geregelt. Junhi darf es nicht. Noch.
Christian Löffelbein: Malwina Morwood. Das Geheimnis von Moorwood Castle. Coppenrath, 320 Seiten, Kl. 4
Malwinas Familie ist ohne Furcht und Adel; arm, aber pfiffig. Deshalb laufen die Tochter und ihr detektivisch begabter Freund Tom zu Hochform auf, als plötzlich der Verkauf des baufällig gewordenen Herrenhauses Morwood Castle im Raum steht. „Nicht im Ernst“, denkt sich Malwina, irgendwo muss doch der vielbesagte Familienschatz versteckt sein, mit dem sich alle Schulden tilgen ließen. Ein munter erzählter Kinderkrimi samt Geistern, Rätseln zum Mitraten und einem Schatz, der erst auf den zweiten Blick wertvoll ist. Dann aber richtig.
Jenny Pearson: Die unglaubliche Wunderreise des Freddie Yates. Arena, 288 Seiten, 13 Euro. Kl. 4/5
Überragend erzählte, authentische Patchworkgeschichte: Der Tod seiner Oma trifft Freddie doppelt. Er verliert einen geliebten Menschen und erfährt, wer sein biologischer Vater ist. Bisher war Freddie mit seinem Adoptiv-Dad ein Herz und eine Seele. Aber das Wissen um seine Herkunft – oder: das Nicht-Wissen – nagt an ihm. Gemeinsam mit seinen beiden besten Freunden tritt er eine Reise quer durch England an, bei der das Trio wirklich keinen Fettnapf auslässt und Autorin Jenny Pearson ein Feuerwerk englischen Humors zündet. Am Ende findet Freddie tatsächlich heraus, wohin er gehört. Gutes Buch und gute Botschaft.
Andrea Schütze: Valérie – die Meisterdiebin von Paris. Thienemann-Esslinger (Planet!), 256 Seiten, Kl. 4/5
Schon die großartig beschriebene Kulisse ist es wert, das Buch zu lesen. Valérie und ihr Vater Gustave leben versteckt, in einer Kate auf dem Dach eines mehrstöckigen Hauses mitten in Paris. Im Gewusel der Millionenstadt sind sie nahezu unsichtbar – bewusst, denn Valéries Leben ist in Gefahr wenn herauskommt, dass sie das Talent einer Meisterdiebin hat. Der schwarze Magier Raoul Rabraquer lauert schon darauf. Als Gustave das einzige Foto von Valéries verschwundener Mutter während eines Beutezugs verliert, gibt die Tochter ihre Tarnung auf – um das Bild wiederzubeschaffen. Der Junge Matteo wird zu ihrem Verbündeten, er gehört auch zu den Meistendieben. Erzählerisch dicht, fantasievoll und temporeich.
Nikola Huppertz: Schön wie die Acht. Tulipan, 224 Seiten, Kl. 6
Es ist kein Schreib- oder Druckfehler und soll in Wahrheit „Schön wie die Nacht“ heißen. Hier geht es um Mathematik, Maltes Lieblingsfach, weil es hilft, sein Leben zu strukturieren. Das hat Sprünge bekommen, seitdem seine Eltern getrennt leben und seine Halbschwester Maltes Zuhause in Beschlag genommen hat. Es kommt noch dicker: In der Mathe-AG hat Malte plötzlich auch eine Konkurrentin, Lale, die ihm in mehrerlei Hinsicht gefährlich wird. Sie stellt die richtigen Fragen. Und sie mag die Elf lieber als die Acht. Patchwork, erste Liebe und die Dimensionen des Lebens, einfühlsam zu reflektiert. Für Fans von Tamara Bachs „Wörter mit L“.
Susanne Weber: Kiwi, Kalle und das Stadtgeflüster. Hummelburg, 192 Seiten, Kl. 4
Bestatter haben etwas Unheimliches, wenn man elf Jahre alt ist und sich lieber dem Ballonladen auf der gegenüberliegenden Seite des Hauseingangs zuwendet. Aufblasbaren Eistüten oder Flamingos begegnet es sich leichter als Urnen. Deshalb rennt Kalle im Laufschritt am Beerdigungsinstitut im Erdgeschoss seines Wohnhauses vorbei, wenn er den Nachbarshund Gassi führt. Ganz umhin kommt der Junge aber nicht, dem Bestatter im Gehen einen Seitenblick zuzuwerfen. Was steht der eigentlich ständig vor dem Laden rum? Als Kalle und Kiwi, das Mädchen aus dem Vorderhaus, im Hinterhof schwarze Luftballons entdecken, ist klar: Irgendwas läuft hier – aber läuft es auch schief?