Stoffe

Ein Flamingo flirtet nie allein

„Das Liebesleben der Tiere“ ist als Buchtitel rein sachlich. Trotzdem macht er Kinder sofort neugierig – und beweist: Auf überschwängliche Metaphern oder Alliterationen legen junge Leser nicht den ganz großen Wert.

Das Buch ist 2018 erschienen und funkioniert als passgenaue Kombination von kurzen Wissenstexten und Comics [illustriert hat den Titel Anke Kuhl], die auch erwachsene Vorleser zum Lachen bringen dürften. Etwa, wenn der Walgesang zur Brautschau lautet: „Atemlos durch das Meer, schöne Walfrau komm‘ doch her.“ Na, erkannt? Genau.

Boy meets girl, so komplex wie bei uns Menschen läuft das im Tierreich nicht ab. Tiere müssen sich allerdings genauso gegen Nebenbuhler behaupten und die Partner setzen alles daran, sich gegenseitig zu beeindrucken. Sie behelfen sich mit originellen Methoden. Die besten Beispiele – Sprechblasen bitte nach einem Gusto ausfüllen!

Eisvögel haben ein schimmernd blaues Gefieder. Das reicht dem Eisvogelmann allerdings nicht, um seine Auserwählte zu beeindrucken – denn schön ist sie selbst. Er muss sich ins Zeug legen. Um ein Weibchen für sich zu gewinnen, orientiert er sich am Spruch „Liebe geht durch den Magen“. Eisvogelmänner bringen der Dame ihre Wahl regelmäßig einen leckeren Fisch vorbei, den sie sich schmecken lässt – und den fleißigen Kandidaten eventuell erhört.

Kugelfische, die eher scheuen Bewohner tropischer Meere und Korallenriffe, macht bereits ihre Form außergewöhnlich. Wird ein Kugelfisch etwa von einem hungrigen Hai angegriffen, bläht er sich auf, um den Feind abzuschrecken. Sehr viel zugänglicher verhält sich der Fisch auf Partnersuche. Kugelfischmännchen schwimmen tagelang nah am Meeresboden und wischen mit sanften Flossenbewegungen Muster in den Sand. Die sehen aus wie Mandalas. Schwimmt eine Kugelfischdame vorbei, entdeckt das Muster und findet es schön, kann es gut sein, dass sie sich mit dem Fischmann einlässt.

Gar nicht erpicht auf die Verstärkung anderer Männer ist der Feldhase. Stattdessen treten die Konkurrenten wie beim Boxkampf gegeneinander an und vertrimmen sich ordentlich, wenn es um Häsinnen geht. Wer gewinnt, dem reicht die Dame ihre Pfote. Allerdings erst, nachdem sie den Sieger noch einmal verprügelt hat. Ein verliebter Feldhase muss einstecken können.

Das gilt auch für Moschusochsen, die in Skandinavien, Kanada, Alaska und Grönland Zuhause sind. Sie haben nicht nur ein dickes Fell, zur Paarungszeit müssen die Männchen ihren Mitbewerbern die Stirn bieten können. Das ist wörtlich gemeint. Zwei Moschusochsen kämpfen um ein Weibchen, indem sie mit Karacho aufeinander zu galoppieren und sich, die Hörner voran, die Köpfe einrennen. Zum Glück sind die Knochen der Tiere so robust, dass sie selten schwere Verletzungen davontragen. Deshalb wiederholen paarungsbereite Tiere den „Angriff“ mehrfach, bis einer aufgibt. Bei so viel Aufwand wundert es nicht, dass sich der Gewinner des Duells mehreren Weibchen zuwenden darf. Übrigens: Auch ihren Namen tragen Moschusochsen aufgrund ihres Paarungsverhaltens. Die Tiere „duften“ dann nämlich nach Moschus. Also: sehr männlich.

Zu den eher schüchternen Vertretern unter den Verliebten gehört der Tintenfisch. Obwohl Männchen viermal so groß werden können wie Tintenfischfrauen und noch dazu in der Lage sind, ihre Hautfarbe von schlammbraun nach bunt zu verfärben, bleibt mancher Tintenfisch solo. Ein gepflegtes Äußeres nützt nichts, wenn keine Kandidatin da ist, die man(n) damit beeindrucken könnte. Oder wenn ein anderer schneller war. So bleibt dem Tintenfisch nur eins: Er muss seinem Nebenbuhler die Frau ausspannen. Nicht schön, aber die einzige Chance. Er verändert seine Hautfarbe abermals, diesmal passt er sich dem sandfarbenen Antlitz des Weibchens an und macht sich klein. Der Konkurrent hält ihn für ein weiteres Weibchen und schöpft keinen Verdacht, er hat seine Wahl ja bereits getroffen. In einem unbeobachteten Moment nähert sich der „verkleidete“ Tintenfischmann der Tintenfischfrau und paart sich mit ihr. Das geht so schnell, dass der Betrogene häufig nichts mitbekommt. Zumal die Tintenfischfrau danach ruhig neben ihm weiterschwimmt, als sei nichts gewesen.

Ein Flamingo holt sich die Unterstützung seiner Kumpels, wenn er auf Brautschau geht. Die Männchen tanzen gemeinsam, wobei der Flamingo auf Partnersuche die Bewegungen vorgibt – und seine „Jungs“ stimmen ein. Jeder kann sich der Hilfe der anderen sicher sein, wenn er bei einem Weibchen Eindruck machen will. Das nennt man ziemlich beste Freunde!

Das Liebesleben der Tiere (gebundene Ausgabe, 144 Seiten, 18 Euro) hat die Bonner Pädagogin Katharina von der Gathen zusammengetragen. Der Titel war 2018 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Klett Kinderbuch bietet dazu im Web sowohl pädagogisches Begleitmaterial als eine Leseprobe. Das Buch richtet sich an Kinder ab acht Jahren.


Illustrationen: Anke Kuhl / Klett