Stoffe

Otfried Preußler #100

Noch 27 Jahre, dann hat er „Die kleine Hexe“ eingeholt, zumindest in der Theorie. Denn sie ist (und bleibt) 127 Jahre alt. Otfried Preußler, gestorben 2013, wäre am 20. Oktober 100 geworden. Ihm verdanken wir Klassiker der Kinderliteratur. Seinen eigenen Töchtern hat der Autor und Lehrer aber nicht vorgelesen.

„Stattdessen hat er die Geschichten frei erzählt“, erinnerte sich Tochter Susanne vor einigen Jahren in einem Interview. Damals, 2018, war gerade eine Neuauflage des „Räuber Hotzenplotz“ erschienen, erstmals mit farbigen Abbildungen. Otfried Preußlers bekannteste Figuren sind die Helden jener Kaspergeschichte, oder eben die 127-jährige Hexe, „Das Kleine Gespenst“, „Der kleine Wassermann“ und – für ältere junge Leserinnen und Leser – der „Krabat“, die sorbische Sage aus der Oberlausitz mit einigem Gruselfaktor. All jene Figuren waren bei Familie Preußler im Bayerischen quasi heimisch. „Wir haben uns vorgestellt was wäre, wenn wir selbst hexen könnten“, erzählte die Tochter von ihrer Kindheit im Haus des Schriftstellers.

Susanne Preußler-Bitsch war fünf Jahre alt, als der Hotzenplotz erstmals in Erscheinung trat. Zur Berühmtheit brachte der es nicht zuletzt dank seines einprägsamen Namens, der Otfried Preußler als Jungen fasziniert hatte. Hotzenplotz war ein Städtchen in der Nähe von Preußlers Heimatort Reichenberg in Tschechien. Heute heißt es Osoblaha. Otfried Preußler wurde dort 1923 geboren, erlebte und überlebte als junger Offizier den Zweiten Weltkrieg, und wurde danach Lehrer und Schriftsteller in Oberbayern, wo er bis zu seinem Tod 2013 lebte. Preußlers Nachlass, dazu gehören jede Menge Briefe, Notizzettel oder Entwürfe seiner Geschichten, bewahrt das Berliner Staatsarchiv auf. Anlässlich seines 100. Geburtstags zeigt es ab 27. Oktober die Ausstellung „Der Mensch braucht Geschichten“. (Der Eintritt ist frei!)

Die Geschichte vom Hotzenplotz dachte sich Otfried Preußler zur Entspannung aus. Klingt irgendwie schräg, schließlich ist ein Räuber kein freundlicher Geselle. Weiß man aber, dass der Autor kurz vorher den „Krabat“ beendet hat, wird ein Schuh draus aus der Entspannung. Die Arbeit an dem spannenden und  gruseligen Stoff war für Otfried Preußler intensiv und deshalb anstrengend. Um sich besser von „Krabat“ lösen zu können, schrieb er die Kaspergeschichte mit dem Räuber. Übrigens war es nicht die erste: Als Zeitvertreib mit den Nachbarskindern hatten sich Preußler und sein Bruder als Kinder gelegentlich eine Kaspergeschichte ausgedacht – und aufgeführt.

Foto: Thienemann-Esslinger-Verlag