Tag der Bibliotheken: Lese-Angebote selbstbewusst machen
Seit 1995 ist der 24. Oktober „Tag der Bibliotheken“. Die Entscheidung für das Datum würdigt die Eröffnung der ersten öffentlichen Bibliothek am 24. Oktober 1828 in Großenhain (Sachsen). 132 Titel bildeten ihren Ur-Bestand. Sie verdanken wir dem gelernten Buchhändler Karl-Benjamin Preusker (1786-1871). Er fand: „Bücher sind für alle da.“ Als er, 89-jährig, die Bibliothek übergab, waren daraus über 3000 Titel geworden. Bibliotheken sind Schatzkammern des Wissens und der Fantasie. An ihrer Bedeutung als Lern- und Erlebnisort ändert auch die Digitalisierung nichts. Eine Würdigung, entstanden aus dem Gespräch mit Alexandra Rak und Ralf Schweikart vom Senter Kreis.
Welche Rolle spielen Bibliotheken in der Leseförderung?
Eine wichtige Rolle können Bibliotheken spielen, wenn sie als Leseort bei Kindern verankert sind. Schule, Eltern aber auch Bibliotheken selbst müssen auf die Angebote aufmerksam machen.
Während des Corona-Lockdowns wurden öffentliche und Schulbibliotheken geschlossen. Alternativen zur Nutzung (z.B. Online-Bestellungen und Abholung unter Einhaltung der Hygiene-Vorschriften) wurden erst spät und zögernd umgesetzt. Fehlt den Bibliotheken das Bewusstsein dafür, wie wichtig sie als Lernorte sind?
Es scheint ganz so. Was schade ist. Weil gerade Kinder, die zuhause keine Regalmeter voller Bücher haben, oder deren Eltern nicht die Möglichkeiten besitzen, sie mit gekauften Büchern zu versorgen, besonderes darauf angewiesen sind.
Wie wichtig ist ein eigener „Leseplatz“, etwa im Kinderzimmer?
Es gibt verschiedene Arten von Leser*innen. Für manche ist das Ritual des Lesens mit einem besonderen Ort verknüpft und sie können nur in eine Geschichte eintauchen, wenn sie sich rundum wohl und geborgen fühlen. Andere lassen sich so von Geschichten gefangen nehmen und können das an jedem Ort tun: Im Bus, im lauten Schwimmbad oder zurückgezogen im Bett.
Lesen Kinder in einer Bibliothek anders als Zuhause auf dem Sofa?
Wichtig ist, dass man sich beim Lesen in einen gedanklichen Kokon zurückziehen kann. Das ist in der Bibliothek manchmal einfacher möglich als wenn zuhause Geschwister, Eltern oder das Handy ablenken und Aufmerksamkeit fordern.
Die Bibliothek ist Rückzugsraum, in dem Ruhe und Konzentration geatmet werden.
Welche Rolle spielen Bibliotheken für den Prozess gesellschaftlicher Teilhabe vor dem Hintergrund, dass ihre Arbeit in den Kommunen unterschiedlich bewertet und finanziert wird? Da die Unterhaltung einer öffentlichen Bibliothek eine freiwillige Aufgabe einer Gemeinde ist, besitzt nur etwas mehr als die Hälfte der deutschen Gemeinden eine kommunale Bibliothek.
Es ist ein Armutszeugnis, dass Kommunen sich Bibliotheken nicht leisten können oder wollen. Bildung ist bei allen Parteien ein wichtiges Wahlthema, aber nach der Wahl passiert gefühlt herzlich wenig. Das gilt für die Ausstattung von Schulen wie Bibliotheken gleichermaßen.
Bibliotheken sind unabdingbar, um gleiche Bildungschancen für alle zu gewährleisten.
Was kann die Digitalisierung leisten, um das Angebot der Bibliotheken attraktiver zu machen?
Wenn damit gemeint ist, die Bücher vermehrt als E-Books anzubieten, dann hilft das wenig. E-Books sind im Kinder- und Jugendbuch noch nicht in der Breite akzeptiert. Für das haptische Begreifen und den Leseerwerb ist die gedruckte Form unersetzbar. Wenn aber Bibliotheken Social Media-Kanäle nutzen, um verstärkt auf ihre Angebote aufmerksam zu machen, Jugendliche einbinden, konkrete Tipps von und für junge Leser*innen geben, dann können Bibliotheken glänzen.
Stichwort: Der Senter Kreis gründete sich 2004 , um den Wert der Leseförderung schon mit dem Einsatz von Bilderbüchern nach außen zu tragen, und deren Akteure zu vernetzten. Seitdem gibt es die Senter Bilderbuchtage, eine Fachtagung für Lesefördernde und Fachleute der Buchbranche. Der beschauliche Ort in der Schweiz ist Heimat von Nicola Bardola, einem Gründungsmitglied des Senter Kreises. 2009 erschien „Mit Bilderbüchern wächst man besser“, 2015 der Ratgeber „Leseglück“. Das aktuelle Buch, an dem neben Alexandra Rak, Nicola Bardola und Ralf Schweikart auch Mladen Jandrlic, Stefan Hauck und Christoph Schäfer als Autoren mitwirken, heißt „Wie Kinder Bücher lesen“ (Carlsen, 208 Seiten broschiert, 15 Euro.)
Abbildungen: dbv/Thomas Meyer, Carlsen/Regina Kehn (2)