Junge Nische

My Father’s Hood

Angie Thomas präsentiert die Vorgeschichte ihres Debüts „The Hate U give“. Sie erzählt vom Viertel Garden Heights der späten 1990er Jahre, belässt diesmal aber den Fokus innerhalb der afro-amerikanischen Community – und auf einer Väter- bzw. einer Familiengeschichte. „Concrete Rose“ spricht dem sensiblen Helden aus dem Herzen.

Wieder nimmt ihr Buchtitel Bezug auf einen Song des Rappers Tupac Shakur. Concrete Rose („Betonrose“) meint eine Blume, die sich selbst in unwirtlichster Umgebung entwickelt und schließlich aufblüht. Naheliegend, dass es sich um eine Metapher auf das letzte Schuljahr des Protagonisten handelt. Treffer. Maverick Carter, 17 Jahre alt, ist bald zweifacher Vater, während er selbst damit hadert, seit neun Jahren ohne seinen „Pops“ auszukommen. Der sitzt im Gefängnis, nachdem er sich als Kopf der Gang „King Lords“ Schuhe angezogen hatte, die ein paar Nummern zu groß für ihn waren. Rassismus, Konfrontation zwischen Weißen und Farbigen, die in den späten 1990ern in den USA nicht minder deutlich zu Tage tritt als heute, damals aber keine „Black lives matter“-Bewegung entfacht, spielt eine untergeordnete Rolle. Stattdessen geht es um die Gesetze von Garden Heights und das Recht des Stärkeren. Angie Thomas gelingt es, eine Lanze für Väter und Söhne zu brechen. Die Vorurteile über Gangs muss sie damit zwangsläufig bestätigen, begründet so aber auch, warum die Szene so zementiert ist: Jeder nimmt den Status quo hin, wie er ist.

Dass Maverick nicht den Platz seines Vater einnehmen musste und an die Spitze der King Lords aufrückte, verdankt er seinem älteren Cousin André, genannt Dre. Er macht den Job. Beide sind wie Brüder, ihr Verhältnis schildert das Buch herzlich-innig. Dre lässt durchblicken, dass er Mav für zu weich hält, zu heulsusig, ihm letztlich aber Respekt zollt dafür, dass er sich nicht vorbehaltslos den Gesetzen des Hood unterwirft – wenngleich es keine Auszeichnung unter Homies ist, seine Schwäche zur Stärke zu machen. Letztlich aber wird genau dieses Abwägen Mav das Leben retten – und Dre nicht. Er wird ausgeraubt und umgelegt. Maverick sieht sich nun doch mit dem Erbe eines King Lord konfrontiert, Dre zu rächen. Rächen zu müssen. So wird es erwartet.

Zum ersten Mal macht Angie Thomas einen jungen Mann zum Erzähler (in den beiden vorangegangenen Büchern waren es junge Frauen). Mit Mav gibt es in „The Hate you give“ ein Wiedersehen. Wie die Autorin im Epilog von „Concrete Rose“ verrät, hat Schauspieler Russell Hornsby (aus der Verfilmung von „The Hate U give“) ihren Entschluss reifen lassen, in der Carter-Familie eine Generation vorzublättern, bis zum Coming of Age von Maverick Carter, zu einem Zeitpunkt, da Bill Clinton US-Präsident und Tupac Shakur ein Jahr tot ist. Mavs starke, authentische Perspektive geht in Thomas‘ „The Hate U give“ auf seine Tochter Starr Carter über. Diskussionswürdig, vor allem für Leser außerhalb des Hood, ist, ob afro-amerikanische Jungs und Männer in den später 1990ern tatsächlich so empathisch, aufrichtig und emotional bei sich selbst waren wie Maverick und – das ist eine berührende Schlüssel-und Schlussszene des Romans – sein Pops.

Concrete Rose ist bei Cbj erschienen und richtet sich an junge Leser*innen ab 14 Jahre.

Fotos: Cbj / Imani Khayyam