Lesefördernde, Stoffe

„Wer hart arbeitet, wird nicht hochmütig“: Zum 100. Geburtstag von Ellis Kaut

„Heilige wäre ich gerne geworden“, hat Ellis Kaut einmal in einem Interview gesagt. Als Kind mochte sie die christlichen Legenden sehr, und ihr Gespür fürs Geschichten erzählen entwickelte sich auch dadurch, dass sie früh eine begeisterte Leserin war. „Das Buch und die Förderung des Lesens im Kindesalter stellen einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Entwicklung des heranwachsenden Menschen dar“, heißt es heute in der Satzung der seit 1993 arbeitenden Ellis-Kaut-Stiftung. Die Münchner Schriftstellerin bringt man vor allem mit dem Pumuckl in Verbindung, ihrer prominentesten Figur. Dabei war Ellis Kaut auch Lesefördererin. Vor 100 Jahren wurde sie geboren.

Ihre Überzeugung, dass Lesen eine sinnstiftende Tätigkeit ist, die Kinder bildet, unterhält und ihnen Wege in die Welt ebnet, brachte Ellis Kaut auf die Stiftungsgründung. „Es war schon in den 1990er Jahren ein Thema, dass viele Kinder nicht lesen wollten“, erinnert sich Tochter Ursula Bagnall. Ihre Mutter unternahm den Impuls für die Leseförderung, die noch alles andere als professionalisiert war, um Begeisterung bei den Kindern zu entfachen. Etwa durch Lesungen oder die Einrichtung von Leseecken in Schulen. Ellis Kaut behielt die Faszination für Geschichten zeitlebens in sich. 2015 ist die Kinderbuchautorin gestorben, ein paar Wochen vor ihrem 95. Geburtstag. Ihre Stiftung hat den besten denkbaren Sitz, unterm Dach der Internationalen Jugendbibliohek auf Schloß Blutenburg in München. Heißt: Direkt bei den Büchern.

Elisabeth „Ellis“ Kaut kommt am 17. November 1920 in Stuttgart zur Welt. Zwei Jahre später zieht ihre Familie um, die neue Heimat München bleibt Lebensmittelpunkt des Mädchens, das sich mit Freundinnen die Zeit am liebsten damit vertreibt, Szenen aus Filmen nachzuspielen. Ihren Eltern zuliebe absolviert Ellis Kaut eine Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung, erst dann erfüllt sie sich den Traum, Schauspielerin zu werden. 1938 ist die 18-Jährige das erste „Münchner Kindl“. Ein Leben lang probiert sie verschiedene Kunstdiszplinen aus, Fotografie, Malerei, Bildhauerei – Schreiben. Sie ist 42 Jahre alt, als der Pumuckl das Licht der Welt erblickt. Inspiriert hat die Figur ein Spruch ihres Mannes Kurt Preis, der sie einmal als „richtigen Pumuckl“ bezeichnet hatte, nachdem sie ihm einen Streich gespielt hatte.

Der rothaarige Kobold begeistert nunmehr die vierte Generation Mädchen und Jungen. Von zehn Uhr morgens bis ein Uhr nachmittags habe die Mutter an ihren Geschichten gesessen, erinnert sich die Tochter an die Disziplin, die Ellis Kaut beim Schreiben aufbrachte. „Wer hart arbeitet, wird nicht hochmütig“, begründete sie. Bei den Verfilmungen der Pumuckl-Episoden mit dem legendären Gustl Bayrhammer als Meister Eder und Hans Clarin als Pumuckl-Sprecher hielt sich Ellis Kaut indes am liebsten vom Set fern. Ursula Bagnall teilt ihre Zurückhaltung, „man muss nicht überall reinreden“.

In den Pumuckl redete Ursula der Mutter schon deshalb nicht rein, weil sie 18 Jahre alt war, als der Kobold auftauchte – so alt, wie Ellis Kaut als Münchner Kindl war, dabei, ihr eigenes Ding zu machen. Die Tochter erklärt: „Ich verheimliche nicht, dass Ellis Kaut meine Muter war, aber ich spreche von mir aus auch nicht darüber.“ Doch verrät sie, dass ihr die Mutter als Kind jeden Abend „Die Geschichten vom Mond“ erzählte, „immer selbst ausgedacht, immer eine andere.“

Fotos: Peter Weissflog / Kosmos-Verlag, Natasa Kaiser